- Nicht-invasive Messung des Wasserhaushalts der Pflanzen: Neue Publikation von Dr. Paulo Cabrita

Der Einsatz nicht-invasiver Methoden kann uns ein realistischeres Bild davon geben, wie Pflanzen tatsächlich leben und auf die Umgebung reagieren. Er wird jedoch oftmals durch die Morphologie und Struktur von Pflanzen begrenzt. Zu den nicht-invasiven Methoden zählt die Verwendung nicht-invasiver Sensoren, im Englischen „leaf patch clamp pressure (LPCP) probe“. Diese Technik dient bisher dazu, den Wasserzustand von Pflanzen kontinuierlich zu beobachten. In seinem neuesten Artikel zeigt Dr. Paulo Cabrita, dass sie auch genutzt werden kann, um Veränderungen des Luftdrucks im Inneren von Pflanzenblättern (nämlich den Interzellularräumen) zu untersuchen.

LPCP-Sensor am Blatt einer Ritterstern-Pflanze. (Foto: Cabrita) LPCP-Sensor am Blatt einer Ritterstern-Pflanze. (Foto: Cabrita)

Gemessen wird bei dieser Technik der LPCP-Ausgangsdruck: Er ist im Prinzip das Drucksignal, das aus der Reaktion der Pflanze resultiert, wenn ein kleiner Blattfleck zwischen zwei Magnete geklemmt wird. Mittels eines kleinen Druckwandlers in einem der beiden Magnete kann man feststellen, wie viel des Drucks, der vom anderen Magneten ausgeübt wird, durch den Blattfleck übertragen wurde. Diese Druckübertragung durch den Blattfleck ist daher eine Funktion der strukturellen Komponenten des Blatts, genauer gesagt, der Anwesenheit von Wasser oder Luft in seinem Gewebe. Somit misst man den Wasserzustand des Blatts und letztlich der Pflanze, indem man beobachtet, wie die Druckübertragung innerhalb des Blattgewebes stattfindet. Bei den bisher untersuchten Pflanzenspezies folgt der Tag-Nacht-Zyklus des LPCP-Ausgangsdrucks umgekehrt proportional den Veränderungen im Turgordruck des Blatts. Das bedeutet, je höher der gemessene LPCP-Ausgangsdruck ist, desto geringer wird der Turgordruck, und damit der Wassergehalt, in den Pflanzenzellen sein.

Eine Ritterstern-Pflanze, Hippeastrum ‚Red Lion‘, angezogen in einem Versuch von Dr. Paulo Cabrita am IAPN. Die Gattung Hippeastrum umfasst 143 Spezies und mehr als 600 Hybride und Sorten von hohem ökonomischem Wert als Zierpflanzen innerhalb der Familie der Amaryllisgewächse. (Foto: D. Jákli) Eine Ritterstern-Pflanze, Hippeastrum ‚Red Lion‘, angezogen in einem Versuch von Dr. Paulo Cabrita am IAPN. Die Gattung Hippeastrum umfasst 143 Spezies und mehr als 600 Hybride und Sorten von hohem ökonomischem Wert als Zierpflanzen innerhalb der Familie der Amaryllisgewächse. (Foto: D. Jákli)

Anders jedoch ist es – wie Paulo Cabrita zeigt – bei Spezies, deren Blätter überwiegend mit Luft gefüllt sind: in denen die Luft große Kanäle, sogenanntes Aerenchym, füllt, wie bei der Gattung Ritterstern (Hippeastrum). Bei diesen Spezies folgt der LPCP-Ausgangsdruck umgekehrt proportional den Veränderungen des Luftdrucks im Inneren dieser Blätter: Die Übertragung des Drucks, der von den beiden Magneten auf den zwischen ihnen eingeklemmten Blattfleck ausgeübt wird, ist vom Luftdruck im Aerenchym des Blatts abhängig.

Mikroskopische Aufnahme von einem Blattstruktur-Detail einer Ritterstern-Pflanze (100-fach vergrößert). Mikroskopische Aufnahme von einem Blattstruktur-Detail einer Ritterstern-Pflanze (100-fach vergrößert). Die Aerenchym-Kanäle durchsetzen die Leitbündel. A – Aerenchym-Kanal, LE – untere Epidermis, UE – obere Epidermis, VB – Leitbündel. (Quelle: Cabrita)

Die Studie von Paulo Cabrita stellt einerseits einen neuen experimentellen Zugang dar, um Veränderungen des Luftdrucks im Inneren von Pflanzenblättern zu beobachten. Zum anderen zeigen die Ergebnisse, wie wichtig es ist, die Blattanatomie und Blattstruktur zu kennen, wenn Methoden angewendet werden, die auf mechanischen Eigenschaften von Pflanzenzellen beruhen. Indem er ein mathematisches Modell vorstellt, das er dann mit experimentellen Daten bestätigt, zeigt Paulo Cabrita, dass das von Hippeastrum-Pflanzen gezeigte Verhalten – obwohl es z.B. dem von Bananen entgegengesetzt ist – keine Abnahme des Turgordrucks im Tagesverlauf und keinen möglicherweise bedrohlichen Wasserzustand widerspiegelt. Stattdessen zeigt es den Tag-Nacht-Zyklus der Veränderungen des Luftdrucks im Aerenchym des Blatts.

 

Da der Luftdruck im Aerenchym des Blatts abhängig ist vom Gaswechsel, der während der Photosynthese aufgrund von Transpiration stattfindet, kann man den Wasserzustand der Pflanzen dieser Pflanzenart messen, indem man die Veränderungen des Luftdrucks im Aerenchym beobachtet, nicht-invasiv und kontinuierlich. Die Ergebnisse von Paulo Cabrita stehen im Einklang mit der physiologischen Funktion des Aerenchyms in den Blättern der Hippeastrum-Spezies, wie man sie in ihrem natürlichen Lebensraum findet. Diese Funktion besteht darin, unter den ungünstigen Wachstumsbedingungen den Gastransport und die Lichtstreuung in den Blättern zu erleichtern und damit zur Photosyntheseeffizienz dieser Pflanzen beizutragen.

 

Der Artikel “Non‐invasive assessment of the physiological role of leaf aerenchyma in Hippeastrum Herb. and its relation to plant water status” von Paulo Cabrita wurde im Juni 2022 in Planta veröffentlicht.

 

Weitere Infos


Dr. Paulo Cabrita

 

Cabrita, P. (2022) Non‐invasive assessment of the physiological role of leaf aerenchyma in Hippeastrum Herb. and its relation to plant water status. Planta (2022) 256:19. PDF der Veröffentlichung

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